Knochenaufbauende Behandlung
Entstehung von Knochenschaden am Kieferkamm und Erfordernis von Knochenaufbau
In der heutigen Zeit erfolgt Zahnverlust in der Regel nach Unfall, Zahnfleischentzündung oder tiefgehender Karies mit Wurzelentzündung. Bei allen diesen Ursachen für Zahnverlust kommt es – meist unbemerkt durch den Patienten – zum begleitenden Verlust von Kieferknochen (sogenannter Alveolarfortsatz-Knochen-Verlust). Dieser meist nicht geringe Knochenschaden wird nach Entfernung des Zahnes (bzw. Wurzelrestes) durch körpereigene Umbauvorgänge und daraus folgende Knochenabbauprozesse noch weiter verstärkt.
Auf der anderen Seite benötigt ein Implantat aus biologischen Gründen eine dickere umgebende Knochenschicht als ein Zahn (bzw. Zahnwurzel). Daher wird ein in idealer Position gesetztes Implantat auch bei vollständig erhaltenem Kieferknochen immer ein kleines Knochendefizit aufweisen. Ein – zur Vermeidung des Knochenaufbaus – in nicht idealer Position gesetztes Implantat hat Nachteile in Ästhetik, Pflegefähigkeit und Langzeitstabilität (siehe unten).
Viele Implantate brauchen den Knochenaufbau
Nach Meinung eines ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI, wissenschaftlicher universitärer Dachverband der Implantologen in Deutschland) müssen daher ca. 80% aller Implantate mit einem begleitenden Knochenaufbau eingesetzt werden, um auch langfristig den Implantat-Erhalt zu gewährleisten.
Wird der begleitende Knochenaufbau vergessen, oder aus Kostengründen weggelassen (einige Implantologen sehen sich unter dem wirtschaftlichen Druck der Kollegen genötigt niedrige Preise anzubieten und implantieren daher „kostengünstig“, d.h. ohne den erforderlichen Knochenaufbau), dann heilt das Implantat in der Regel dennoch erst mal ein. Das umgebende Weichgewebe verdeckt dann den um das gesetzte Implantat vorhandenen Knochenschaden für einige Zeit, bevor es abstirbt und die oberen Implantatanteile (sogenannter Implantathals) somit frei in der Mundhöhle stehen (silberfarbene glänzende Metallgewinde). Diese Situation ist mit einer normalen Mundhygiene kaum zu pflegen und führt regelmäßig zu permanenten Entzündungen am Implantat. Diese Entzündung führt dann nach einigen Jahren zum Implantatverlust.
Möglichkeiten des Knochenaufbaus am Kiefer – Knochenaufbau ist nicht gleich Knochenaufbau
Die chirurgischen Möglichkeiten zur späteren Behandlung (sekundären Korrektur) des am Implantat fehlenden Knochens sind sehr begrenzt, sehr aufwändig und in der Prognose unsicher, daher ist es unbedingt anzuraten bei der Einpflanzung des Implantates gleich den Knochenaufbau mit zu machen.
In der Regel besteht der benötigte Knochenaufbaueinfach nur aus dem Aufstreuen von winzigen Krümeln Knochenersatzmaterial. Dieses Knochenersatz- oder Knochenaufbaumaterial wird industriell aus verschiedenen Rohmaterialien hergestellt (beispielsweise aus Rinderknochen, aus Meeresalgen oder rein synthetisch) und in winzigen Flaschen verkauft. Die Anwendung dieses Materials ist seit vielen Jahrzehnten klinische Routine und belastet den Patienten nicht.
Wissenschaftliche Erforschung von Knochenersatzmaterialien
Professor Dr. Dr. Weibrich hat über viele Jahre vergleichende Studien zu den verschiedenen Knochenersatzmaterialien (mit und ohne Kombination mit Wachstumsfaktoren) durchgeführt und erhielt für die Ergebnisse seiner Untersuchungen an der Universitätsmedizin Mainz die Habilitation zuerkannt.
Bei den seltener vorhandenen größeren Knochendefekten ist es unproblematisch möglich, von innerhalb der Mundhöhle kleinere Knochenanteil am Kieferkamm zu gewinnen, um diese dann mit dem Implantat einzupflanzen/anzulagern. Die in dem körpereigenen Transplantat enthaltenen lebenden Knochenzellen haben den Vorteil, dass auch größere Kieferkamm-Defekte damit wieder „zuwachsen“ können. Die entnommenen Knochenteilchen bilden sich in der Regel von alleine wieder nach.
Bei extremen Knochendefekten (z.B. schwere Unfälle mit Zahn- und Kieferteilverlust, schwere oder über Jahre bestehende parodontale Entzündungen, etc.) besteht die Möglichkeit innerhalb der Mundhöhle auch größere Knochenanteile (sogenannte Knochenblöcke) am Kieferkamm zu gewinnen, um diese dann in den geschädigten Kieferkamm einzupflanzen/anzulagern. Diese Knochenblöcke werden mit winzigen Schrauben befestigt und meist mit sogenannten Kollagen-Membranen abgedeckt. In der Regel kann die Implantation dann erst 3 Monate nach dem Knochenblock erfolgen. Die Knochenblock-Schrauben werden dann zeitgleich entfernt, kleinere Restknochendefekte werden mit der Implantateinpflanzung ebenfalls noch korrigiert.
Besonderheit Knochenaufbau im Oberkiefer-Seitenzahnbereich – interner und externer Sinuslift
Die Behandlung von Kieferkamm-Knochendefekten wurde bereits in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben. Im Oberkiefer-Seitenzahnbereich entstehen ab dem ca. 13. Lebensjahr die sogenannten Kieferhöhlen, ein Teil des Nasennebenhöhlensystems. Die Kieferhöhlen nehmen mit zunehmendem Lebensalter zu und lösen den Oberkieferknochen im Seitenzahnbereich auf, erreichen später sogar die Wurzelspitzen der Seitenzähne, so dass diese einige Millimeter in die mit Schleimhaut ausgekleidete und mit Luft gefüllte Kieferhöhle hineinragen. Wenn nun einer dieser Seitenzähne entfernt werden muss, dann für das Einpflanzen von „normal langen“ Zahnwurzel-Implantaten der im Bereich der Kieferhöhle verloren gegangene Knochen wieder hergestellt werden.
Der Sinusift
Bei einem geringen Höhendefizit (bis ca. 3mm) erfolgt dies durch eine von „Summers“ entwickelte Operationstechnik, dem sogenannten „internen Sinuslift“. Dazu wird durch das bereits präparierte Implantatbett (vom Arzt in den Kieferkamm präparierte Präzisionsbohrung zur Aufnahme des Implantates) die Schleimhaut der Kieferhöhle um die benötigte Höhe angehoben und der neu gewonnene Hohlraum in der Kieferhöhle mit Knochenersatzmaterial aufgefüllt, bevor das Implantat eingesetzt wird und den Operationszugang zur Kieferhöhle somit gleich verschließt.
Ist ein vertikaler Knochenaufbau von mehr als 3mm Höhe erforderlich nutzt man den sogenannten „externen Sinuslift“ als favorisierte Operationsmethode. Dazu geht man - auch bei dieser OP Technik von innerhalb der Mundhöhle, aber diesmal von der Kieferhöhlenvorderwand - in die Kieferhöhle, um die Schleimhaut der Kieferhöhle um die benötigte Höhe anzuheben, und den so neu gewonnenen Hohlraum in der Kieferhöhle mit Knochenersatzmaterial und/oder körpereigenem Knochen aufzufüllen. Sofern der vorhandene ortsständige Kieferkammknochen eine Höhe von mindestens 3-5mm aufweist, kann das Implantat zeitgleich eingesetzt werden. Falls der Kieferkammknochen bereits noch stärker geschädigt ist, kann das Implantat erst 3 Monate nach externem Sinuslift eingesetzt werden.
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